Verkürzte Kritiken der radikalen Rechten

In der derzeitigen öffentlichen Debatte über die radikale Rechte stehen sich zwei Diskurse diametral gegenüber, ein Diskurs von linken Antifaschist:innen und ein Diskurs der bürgerlichen Mitte.

Der antifaschistische Diskurs, dem natürlich zunächst meine Sympathien gelten, bezeichnet die gesamte radikale Rechte als faschistisch (teilweise auch als reaktionär und regressiv), und verwendet dies als denunziatorischen Kampfbegriff, der damit ein möglichst breites Zusammenhalten gegen rechts erzielen will. Dafür stehen Parolen wie „Kein Fußbreit dem Faschismus“ oder „Wehret den Anfängen“. Das Problem dieser Bezeichnung ist, dass pauschal alle Strömungen der radikalen Rechten – also auch etwa AfD und Querdenker – und teilweise sogar diskriminierende Einstellungen außerhalb der radikalen Rechten als faschistisch/reaktionär bezeichnet werden (beispielsweise toxische Männlichkeit, Rassismus in der Linken), und dass dieser derart homogenisierten faschistischen Front eine ebenso homogenisierte Front der „aufrechten Demokrat:innen“ dichotom gegenübersteht.

Dem steht der Diskurs der bürgerlichen Mitte gegenüber, der die aktuell starken Tendenzen wie die AfD oder die Querdenker als Rechtspopulismus bezeichnet, explizit systemfeindliche oder terroristische Tendenzen dagegen als Rechtsextremismus oder -terrorismus. Der Faschismusbegriff und damit der alarmierende Bezug zur deutschen Geschichte wird durchgehend vermieden. Dieser Diskurs ist motiviert dadurch, den historischen Faschismus nicht zu verharmlosen und die Stabilität des bestehenden Status quo zu betonen. Sein Problem ist daher aber auch, dass er eine systematische Gefährdung durch die radikale Rechte und mögliche Faschisierungsprozesse ausschließt, und dass er – bei aller Distanzierung – eine Kontinuität zwischen bürgerlicher Mitte und radikaler Rechter herstellt, wobei letztere etwa in die Öffentlichkeit integriert oder durch entsprechende Politik wiedergewonnen werden soll.

Trotz des scharfen Gegensatzes sind beide Diskurse untergründig aufeinander verwiesen, denn der bürgerliche Diskurs bezieht sich schließlich auch darauf, die Demokratie, also „sich selbst“, vor der Antidemokratie zu schützen; während der antifaschistische Diskurs die qualitativ unterschiedliche Wucht verbaler Hetze, einzelnen physischen Übergriffen, Pogromen, faschistischen Kampfbünden oder aber einem organisierten Massenmord durchaus realistisch einzuschätzen weiß. Dabei mag ersterer allerdings dazu tendieren, das Spektrum der Demokratie oft sehr weit nach rechts auszudehnen, letzterer jedoch, es immer kleiner zusammenzuziehen, bis es schließlich etwa nur ein paar zehntausend linke Gleichgesinnte umfasst.

Beiden Diskursen wohnt daher auch derselbe politische Widerspruch inne: Sie verteidigen mit der parlamentarischen Demokratie und dem Liberalismus diejenige kapitalistische Gesellschaft, die ursächlich die radikale Rechte immer wieder hervorbringt, und sie gründen auf der Annahme, dass Rechtsradikale andererseits noch insofern in Kontinuität mit der parlamentarischen Demokratie und dem Liberalismus stehen, dass sie durch Verweis auf deren Ideale von ihren menschenfeindlichen Ansichten abgebracht werden könnten.

Beide Diskurse sind offenbar sowohl theoretisch blauäugig als auch praktisch nicht zielführend bzw. sogar kontraproduktiv. Es muss heute daher darum gehen, einen anderen Diskurs – einen sozialistischen Antifaschismus – zu etablieren, der den Kampf gegen die radikale Rechte offensiv und selbstbewusst mit dem Kampf für eine bessere Gesellschaft verbindet, und der zugleich auch ein Diskurs *mit* radikalen Rechten ist, diese dabei aber nicht von der parlamentarischen Demokratie und ihrer Gesellschaft – deren Krisen sie ja gerade rechtsradikal haben werden lassen – überzeugen will, sondern für den Sozialismus als alleinigen, aber auch wirklichen Ausweg aus den Krisen eintritt.

Diese Perspektive werde ich in den nächsten Monaten in verschiedenen Zeitschriften in Texten zur antifaschistischen Strategie konkretisieren.