Zur Diskussionskultur der Linken

Vor kurzem erschien eine wütende Replik auf einen Text von mir: Sie sprach meinem Text eigenen Sinn und argumentative Kraft ab und diffamierte meine Person. Das Ziel der Replik war es, meine Argumentation für die Debatte zu entqualifizieren und mich aus ihr hinauszudrängen.

Der Text von mir war „Gegen alte und neue linke Erzählungen“, erschienen in der analyse & kritik vom Januar, die Replik war von Alexander Neupert-Doppler, in der Februarausgabe derselben Zeitung.

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Krahl

Die Frage, die sich mit Hans-Jürgen Krahl verbindet, ist folgende: Kann es eine marxistische, praktisch-revolutionäre Rezeption der Kritischen Theorie geben?

Krahl ist leider sehr früh gestorben, mit 27, und es gibt keine im eigentlichen Sinn wissenschaftlichen Texte von ihm, allerdings zahlreiche Reden, Manuskripte, und kleinere veröffentlichte Texte.

Bei Krahls Texten ist eine Sache schwierig: Er schreibt und spricht immer in einer eigenartigen Vermengung von Agitator, politischer Strategie und Theorieinteresse. Das macht die Bezugnahme auf Adorno dann z. T. auch widersprüchlich.

Einige Hinweise für das Studium Krahls:

http://audioarchiv.blogsport.de/2010/02/23/material-zu-hans-juergen-krahl/

http://theoriepraxislokal.org/rev+s/Krahl2.php

http://theoriepraxislokal.org/rev+s/krahl.php

Marx‘ Kritik des Utopismus

Zeitungsartikel von mir, erschienen in der Zeitung „analyse & kritik“ vom 15.01.2019:

Gegen alte und neue linke Erzählungen
Marx‘ Kritik des Utopismus ist noch immer aktuell

Die ersten Absätze: „Wir brauchen eine neue linke Erzählung. Wir brauchen Utopien, mit denen wir die Menschen für das linke Projekt begeistern können. Solche oder ähnliche Appell erklingen in linken Debatten immer häufiger. Die Idee: Nur so können wir eine Perspektive über das Bestehende hinaus entwickeln.

Utopien bieten aber gerade keine Perspektive über das Bestehende hinaus. Sie sind antikapitalistisch, gehen aber an der emanzipatorischen Praxis der Gegenwart vorbei.

Das betrifft auch den von analyse und kritik mit herausgegebenen Band »Neue Klassenpolitik«: Darin wird eine neue linke Erzählung für nötig befunden, die den Menschen wieder eine Zukunftsvision ermöglicht, sie mit einem »Traum von einer anderen Welt« aufrüttelt.“

„Neue linke Erzählung“?

In letzter Zeit stolpere ich ziemlich oft darüber, dass bestimmte Teile der (radikalen) Linken die bürgerlichen Ideale Freiheit, Gleichheit, Solidarität hochhalten.

Sebastian Friedrich hat ein Buch herausgegeben mit dem Titel „Neue Klassenpolitik“. Er schreibt darin:

„Die Koordinaten linker Politik sind Gleichheit und Freiheit. Gleichheit im ökonomischen Sinne als gleiche Teilhabe aller am Reichtum einer Gesellschaft, Freiheit im Sinne der freien Entfaltung, und beide gedacht als sich wechselseitig bedingend.“ (https://www.neues-deutschland.de/…/1104663.linke-gesellscha…)

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Marxistisch? Linksradikal?

Ich bin im Lauf des letzten Jahres dazu gekommen, dass man die Begriffe „marxistisch“ und „linksradikal“ irgendwie durch andere ersetzen muss (was natürlich auch eine Bedeutungsänderung bedeutet). Denn wenn man sagt „marxistisch“, dann meinen die falschen Leute, dass man etwas zu ihrem Diskurs beiträgt – namentlich der Marxismus-Leninismus, das Hauptwiderspruchsdenken, Kommunismus als Aufgabe einer Partei; während die richtigen Leuten einen in die falsche Ecke stellen – also die des „offiziellen“ Marxismus.

Vom „Linksradikalen“ muss man sich mein‘ ich distanzieren, weil letztlich nur diese fundamentale Negation oder Opposition zur herrschenden Gesellschaft darinsteckt, während es ja eigentlich um die Arbeit und Emanzipation innerhalb der gegenwärtigen wirklichen Beziehungen und ihren Konflikten und Widersprüchen geht. Der Kommunismus ist die „wirkliche Bewegung“ (Marx). Hinzukommt, dass das Linksradikale aufgrund der fundamentalen Opposition letztlich in den bürgerlichen Kategorien der Konfrontation der politischen Macht denken muss, und nicht von einer gesellschaftlichen Macht von unten aus.

Durch was die Begriffe ersetzen? „Linksradikal“ kann man ersetzen durch „antikapitalistische antiautoritäre Bewegung“. Was natürlich auch eine andere Praxis beinhaltet. „Marxistisch“ muss man je nach Kontext ersetzen, z. B. „gemäß Marx“, Kritik der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft oder ähnlich.

Die rechten Mobilisierungen nach Chemnitz …

… diskutieren wir morgen (Mittwoch, 12.9.) um 19 Uhr in unserem Arbeitskreis zu Sozialpsychologie und Ideologiekritik. In dem geht es insgesamt gerade um eine Aktualisierung der klassischen Theorie des autoritären Charakters.

Bei Interesse kommt gern dazu.

Folgende Fragen sollen diskutiert werden:
a) Was ist der genaue (projektive) Gegenstand des rechten Hasses in Chemnitz, was will er erreichen, und wie begründet er sich in seinem eigenen Selbstverständnis?
b) Der Schulterschluss bzw. die Bündelung verschiedener Spektren der extremen Rechten (AfD, Pegida, „Straßen-Nazis“, Hooligans) und das Gewährenlassen der Rechten durch den Staat;
c) als auslösendes Phänomen der „Mord an einem Deutschen durch Geflüchtete“, in dem sich offenbar eine intensive emotionale Lage so sehr reflektiert, dass es unmittelbar packend für eine große Masse ist,
und das zugleich selbst schon ein projektives Phänomen ist;
d) die massenpsychologische Dynamik, in der sich viele gleichzeitig angezogen fühlen und dann als Masse und darum ihrer selbst sicher und enthemmt agieren können.

Ich möchte endlich versuchen,

einen anderen Alltag und eine andere Lebensorientierung zu entwickeln. Wir reden immer nur darüber und nennen es „Strategiedebatte“, aber was dann tatsächlich aufgebaut wird, hat nur den Aspekt eines „Aufbaus von Gegenmacht“ und soll „Macht von unten“ in Konflikte führen.

Nirgends wird eine andere Lebensweise, andere Kultur, andere Beziehungen ins Zentrum gestellt, die nicht immer ängstlich auf den eigenen Besitz, auf den eigenen Spaß oder Selbstverwirklichungsgewinn, die eigene investierte Arbeitszeit äugt.

So kommt es mir vor.

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Antideutsche und Faschismus

Es kursiert gerade das Zitat des Bahamas-Autors Thomas Maul, dass „die AFD objektiv als EINZIGE Stimme der Restvernunft im Deutschen Bundestag, zuweilen gar als parlamentarischer Arm materialistischer Ideologiekritik“ erscheint.

Das ist ein eindeutiger Übergang von ursprünglich linken antikapitalistischen Positionen zu rechten. Aber das ist beileibe nicht der erste Übergang aus dem wertkritisch-antideutschen Milieu zur Rechten. Siehe Broder und Elässer. Frank Böckelmann, früher Subversive Aktion, war nun Erstunterzeichner der „Erklärung 2018“. Rolf-Peter Sieferle, früher Autor über die Revolutionstheorie von Marx, hat „Finis Germaniae“ geschrieben.

Was ich sagen will: Wir müssen uns Gedanken machen über ein systematisch faschistisches Potential in einer bestimmten Rezeptionslinie von Marx und der Kritischen Theorie. Das ist nicht nur so ein Hahnenkampf unter Antifas, sondern die positionieren sich wirklich faschistisch. Aber der Punkt ist, dass sie immer noch links und progressiv erscheinen können und dieser Hinsicht attraktiv sind, wobei sie zugleich verrückterweise als die eigentlichen Reaktionären die Linken erscheinen.

Ich erinnere auch an die gut besuchten (rassistischen und sexistischen) Veranstaltungen der Bahamas von Thunder in Paradise in der Frankfurter Uni oder den Versuch, antimuslimischen Rassismus in der jungle world zu kritisieren, was dort mit drei rassistischen Artikeln beantwortet wurde.

Ich weiß aber nicht genau, wie man da agieren soll. In der jungle world steht natürlich nicht nur sowas, und viele aus dem antideutschen Milieu sind redliche Linke und Antifaschistischinnen.