Der Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler (FH Düsseldorf) hat in der aktuellen Ausgabe der antifaschistischen Zeitung „Lotta“ eine insgesamt sehr wohlwollende Rezension meines Buchs „Die Faschisierung des Subjekts“ veröffentlicht (Lotta #85, Winter 2021/22, S. 80) und eine eindeutige Leseempfehlung gegeben. Er spricht jedoch auch einen Punkt kritisch an, der meine Aussage betrifft, dass die SA nicht faschistisch sei. Darin steckt allerdings eine wichtige Diskussion:
Häusler schreibt, dass ich meine Analyse des Faschismusbegriffs nicht aus den historischen Phänomenen, sondern ihn rein theoretisch gewinnen würde und ihn dann den historischen Phänomene überstülpen würde. So würde ich dann zu solchen Aussagen gelangen wie der, dass die SA nicht faschistisch gewesen sein soll.
Allerdings tätige ich diese Aussage nicht genau in dieser Weise, und man muss diese Aussage in ihren Kontext in meinem Buch stellen: Zum einen zeige ich auf, dass man zwischen verschiedenen Ausprägungen der radikalen Rechten deutlich unterscheiden muss, und nicht alles unter den vagen Überbegriff „Faschismus“ stellen kann. Insbesondere zeige ich deutliche Unterschiede zwischen der SA und der SS auf – und damit bin ich nicht der erste. Hierin sage ich dann, dass sich erst in der SS das Wesen des Faschismus manifestiert, aber nicht in der SA: nämlich die Vernichtungsmaschinerie. Zum anderen sage ich aber nicht einfach, dass die SA „nicht faschistisch“ sei, sondern dass man den Faschismus als einen Gesamtkomplex analysieren muss, in dem die SA eine notwendige, vorbereitende Rolle spielt, so dass dann später die SS quasi übernehmen kann. So ähnlich wie heute Pegida und AfD mögliche Wegbereiter einer heutigen, manifest faschistischen Bewegung sein könnten (das aber nur als entfernte Möglichkeit).
So ähnlich sagen das namhafte Faschismus-Forscher wie der frühe Ernst Nolte, Wolfgang Wippermann und Wilhelm Heitmeyer, auf die ich mich in meinem Buch auch berufe.
Diese Analyse gewinne ich zudem gerade nicht rein theoretisch oder analytisch, sondern gerade durch die Analyse sehr vieler historischer Phänomene. Auf den Seiten 107-128 analysiere ich eine ganze Reihe von historischen Phänomenen, darunter den Röhm-Putsch, den Leitspruch „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“ und die schneidend scharfe Kritik der NSDAP-Führung an den Novemberpogromen 1938 (zugunsten einer systematischen Vernichtung der Jüdinnen), und arbeite daran die Unterscheidung zwischen der faschistischen und der autoritären Rechtsradikalen heraus.
Darüber hinaus bringe ich ich im ganzen ersten Kapitel „Archiv“ auf 30 Seiten zahlreiche weitere historische Phänomene, die das qualitativ Besondere des Faschistischen gegenüber einer nicht-faschistischen radikalen Rechten deutlich machen.
Abgesehen von diesem wichtigen Diskussionspunkt, der ja auch eine aktuelle Kontoverse der linken Einschätzung der gegenwärtigen radikalen Rechten widerspiegelt, freut mich natürlich sehr, wie Häusler seine Rezension beschließt:
„Zudem liefert der Autor aus marxistischer Sicht anregende Überlegungen zum Zusammenhang von gesellschaftlich-ökonomischer Krise und der Herausbildung faschistischer Subjekte, indem er die ‚Idee des Subjekts als einer historisch spezifischen Form des Menschen unter bürgerlich-kapitalistischen Lebensbedingungen‘ in das Zentrum seiner Gedanken zu rücken versucht. Kapfingers Buch ist anregend und verdient eine intensive Lektüre sowie eine breite Diskussion.“