Marcuse und der Poststrukturalismus von Deleuze/Guattari

Kritische Theorie und Poststrukturalismus gelten traditionell als extreme Gegensätze. Betrachtet man jedoch spezifisch die Theorien von Marcuse und von Deleuze/Guattari, so ergibt sich ein ganz anderes Bild. Schon die Einflüsse ähneln einander: Marcuse ebenso wie Deleuze/Guattari (anders als Kritische Theorie bzw. Poststrukturalismus sonst) rezipieren die marxistische Revolutionstheorie, den Surrealismus[2] und den Existenzialismus[3]. Mit dieser Nähe dürfte auch die herausragende Bedeutung Marcuses im französischen 1968 (anders als die der anderen Kritischen Theoretiker) zusammenhängen, sowie die nachfolgende Marcuse-Rezeption des Anti-Ödipus[1]).

Die Auffassung des extremen Gegensatzes rührt hauptsächlich von einer Reduktion der Kritischen Theorie auf den späten Adorno und einer Konstruktion eines „der“ Poststrukturalismus im Singular („French Theory“). Die Kritische Theorie wäre dann von Vernunft, Autonomie des Individuums, Totalitätskritik geprägt, der Poststrukturalismus dagegen von Irrationalismus, Subjektlosigkeit, Fragmentierung. Wenn man dagegen einzelne Autor:innen spezifisch miteinander vergleicht, ergibt sich schnell ein ganz anderes Bild.

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Versuch, den Faschismus von der Krise her zu verstehen

Ich versuche hier, den Faschismusbegriff von der Krise des Kapitalismus her aufzuziehen (dabei Krise und Kapitalismus nicht ökonomistisch-reduktionistisch gedacht). Faschismus wäre so verstanden die Konsequenz aus einer krisenhaften Unmöglichkeit kapitalistischer Reproduktion (nicht ökonomistisch gedacht), in der die Prämissen dieser Reproduktion durch Gewalt aufrechterhalten werden sollen. So lassen sich m. E. dann die Imperative z. B. des totalen Kriegs und der Vernichtung um ihrer selbst willen verstehen.

Viele würden wahrscheinlich sagen, ja klar, das ist ja common sense, dass der Faschismus aus der Krise des Kapitals resultiert. Mir scheint aber eher, dass die spezifische Singularität von Auschwitz in der heutigen Faschismusdiskussion nicht mehr konkret-inhaltlich vorkommt. Andererseits wird in dieser Debatte aber auch die AfD als faschistisch kritisiert, was ich für eine ziemliche Fehleinschätzung halte.

Zudem scheint mir in diesem common sense Krise nicht radikal als möglicher Zusammenbruch gedacht, als finale Krise. Dabei gibt gerade die aktuelle Corona-Krise Anlass, über den Krisenbegriff neu nachzudenken. Tatsächlich gibt es seit langem in der linken Theorie eine unselige Allianz sehr verschiedener Lager (Antideutsche, Regulationstheorie, Strukturalismus, Poststrukturalismus), die mithilfe eines entschärften Krisenbegriffs vor allem die Regenerationsfähigkeit des Kapitalismus hervorhebt.

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Zur Kritik der Theorie des autoritären Charakters

Die folgenden Thesen habe ich für das Tagesseminar „Der autoritäre Charakter und die reaktionären Tendenzen der Gegenwart“ am 27.4.2019 in Berlin geschrieben.

Meiner Kritik liegt diese Fragestellung zugrunde: Was sind die Bedingungen, die das subjektive Potential („Massenbewusstsein“, „Mentalität“) für das Umkippen der Gesellschaft nach Rechts (AfD, rechte Massenbewegung, Rechtsruck auch der politischen Mitte) erklären, und wie geht dieses subjektive Potential aus diesen Bedingungen hervor? Können wir die Erklärung dieses subjektiven Potentials aus den Bedingungen der Gegenwart mithilfe der Theorie des autoritären Charakters (Adorno) vornehmen?

Mit den folgenden Thesen möchte ich sagen, dass mit der Theorie des autoritären Charakters, so wie sie u. a. in Adornos „Studien zum autoritären Charakter“ formuliert ist, der gegenwärtige Rechtsruck nicht verstanden werden kann (ebensowenig wie der historische Faschismus). Es bedarf der Entwicklung einer anderen Theorie des reaktionären Bewusstseins, wofür ich am Schluss einige kleine Hinweise gebe.

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Tagesseminar „Der autoritäre Charakter und die reaktionären Tendenzen der Gegenwart“

Tagesseminar am Samstag, 27. April 2019 von 10:00 – 18:00 Uhr in Kreuzberg, Oranienstr. 34 (Räume des Migrationsrats)

Veranstaltet von: AK Sozialpsychologie und Ideologiekritik

Im Tagesseminar wollen wir die Frage diskutieren, ob, und wenn ja, wie die klassischen Studien zum autoritären Charakter von Adorno et al. helfen, die reaktionären Tendenzen der Gegenwart zu erklären. Die Textgrundlage ist der Abschnitt II.B zur Konstruktion der F-Skala aus dem Buch „Studien zum autoritären Charakter“ (Suhrkamp). Wir können das Buch auf englisch zusenden.

Eine gewisse Vertrautheit mit den „Studien zum autoritären Charakter“ setzen wir voraus. Das Seminar ist nicht als erste EInführung konzipiert, sondern soll vor allem der gemeinsamen Diskussion dienen. Anhand von Inputs und in kleineren Workshops soll dann die Frage diskutiert werden: Wie kann die Theorie des autoritären Charakters kritisch und aktualisierend für heute gelesen werden?

Eine Anmeldung ist wegen begrenzter Teilnehmer*innenzahl erforderlicherforderlich: ak_sozpsy bei riseup.net