Versuch, den Faschismus von der Krise her zu verstehen

Ich versuche hier, den Faschismusbegriff von der Krise des Kapitalismus her aufzuziehen (dabei Krise und Kapitalismus nicht ökonomistisch-reduktionistisch gedacht). Faschismus wäre so verstanden die Konsequenz aus einer krisenhaften Unmöglichkeit kapitalistischer Reproduktion (nicht ökonomistisch gedacht), in der die Prämissen dieser Reproduktion durch Gewalt aufrechterhalten werden sollen. So lassen sich m. E. dann die Imperative z. B. des totalen Kriegs und der Vernichtung um ihrer selbst willen verstehen.

Viele würden wahrscheinlich sagen, ja klar, das ist ja common sense, dass der Faschismus aus der Krise des Kapitals resultiert. Mir scheint aber eher, dass die spezifische Singularität von Auschwitz in der heutigen Faschismusdiskussion nicht mehr konkret-inhaltlich vorkommt. Andererseits wird in dieser Debatte aber auch die AfD als faschistisch kritisiert, was ich für eine ziemliche Fehleinschätzung halte.

Zudem scheint mir in diesem common sense Krise nicht radikal als möglicher Zusammenbruch gedacht, als finale Krise. Dabei gibt gerade die aktuelle Corona-Krise Anlass, über den Krisenbegriff neu nachzudenken. Tatsächlich gibt es seit langem in der linken Theorie eine unselige Allianz sehr verschiedener Lager (Antideutsche, Regulationstheorie, Strukturalismus, Poststrukturalismus), die mithilfe eines entschärften Krisenbegriffs vor allem die Regenerationsfähigkeit des Kapitalismus hervorhebt.

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Zur kulturtheoretischen Betrachtung des Faschismus

Ein Zugang zum Faschismus, der das Problem individualpsychologisch zu fassen versucht, muss scheitern. Faschismus kann zwar nicht „objektiv-materiell“, d. h. als ein bestimmtes polit-ökonomisches Verhältnis gefasst werden (ökonomische Krise, Interessen des Monopolkapitals, racket-Kriminelle am Staatsapparat, Diktatur als Unterdrückung von Elendsrevolten usw.), sondern gerade nur durch die psychologische und ideologische Affirmation der Unterdrückung. Insofern ist der Zugriff des Freudomarxismus auf den Faschismus total richtig, also der These von Wilhelm Reich, Erich Fromm & Co., dass der Faschismus eine psychologische Dynamik darstellt.

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Zur Kritik der Theorie des autoritären Charakters

Die folgenden Thesen habe ich für das Tagesseminar „Der autoritäre Charakter und die reaktionären Tendenzen der Gegenwart“ am 27.4.2019 in Berlin geschrieben.

Meiner Kritik liegt diese Fragestellung zugrunde: Was sind die Bedingungen, die das subjektive Potential („Massenbewusstsein“, „Mentalität“) für das Umkippen der Gesellschaft nach Rechts (AfD, rechte Massenbewegung, Rechtsruck auch der politischen Mitte) erklären, und wie geht dieses subjektive Potential aus diesen Bedingungen hervor? Können wir die Erklärung dieses subjektiven Potentials aus den Bedingungen der Gegenwart mithilfe der Theorie des autoritären Charakters (Adorno) vornehmen?

Mit den folgenden Thesen möchte ich sagen, dass mit der Theorie des autoritären Charakters, so wie sie u. a. in Adornos „Studien zum autoritären Charakter“ formuliert ist, der gegenwärtige Rechtsruck nicht verstanden werden kann (ebensowenig wie der historische Faschismus). Es bedarf der Entwicklung einer anderen Theorie des reaktionären Bewusstseins, wofür ich am Schluss einige kleine Hinweise gebe.

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Tagesseminar „Der autoritäre Charakter und die reaktionären Tendenzen der Gegenwart“

Tagesseminar am Samstag, 27. April 2019 von 10:00 – 18:00 Uhr in Kreuzberg, Oranienstr. 34 (Räume des Migrationsrats)

Veranstaltet von: AK Sozialpsychologie und Ideologiekritik

Im Tagesseminar wollen wir die Frage diskutieren, ob, und wenn ja, wie die klassischen Studien zum autoritären Charakter von Adorno et al. helfen, die reaktionären Tendenzen der Gegenwart zu erklären. Die Textgrundlage ist der Abschnitt II.B zur Konstruktion der F-Skala aus dem Buch „Studien zum autoritären Charakter“ (Suhrkamp). Wir können das Buch auf englisch zusenden.

Eine gewisse Vertrautheit mit den „Studien zum autoritären Charakter“ setzen wir voraus. Das Seminar ist nicht als erste EInführung konzipiert, sondern soll vor allem der gemeinsamen Diskussion dienen. Anhand von Inputs und in kleineren Workshops soll dann die Frage diskutiert werden: Wie kann die Theorie des autoritären Charakters kritisch und aktualisierend für heute gelesen werden?

Eine Anmeldung ist wegen begrenzter Teilnehmer*innenzahl erforderlicherforderlich: ak_sozpsy bei riseup.net

Die rechten Mobilisierungen nach Chemnitz …

… diskutieren wir morgen (Mittwoch, 12.9.) um 19 Uhr in unserem Arbeitskreis zu Sozialpsychologie und Ideologiekritik. In dem geht es insgesamt gerade um eine Aktualisierung der klassischen Theorie des autoritären Charakters.

Bei Interesse kommt gern dazu.

Folgende Fragen sollen diskutiert werden:
a) Was ist der genaue (projektive) Gegenstand des rechten Hasses in Chemnitz, was will er erreichen, und wie begründet er sich in seinem eigenen Selbstverständnis?
b) Der Schulterschluss bzw. die Bündelung verschiedener Spektren der extremen Rechten (AfD, Pegida, „Straßen-Nazis“, Hooligans) und das Gewährenlassen der Rechten durch den Staat;
c) als auslösendes Phänomen der „Mord an einem Deutschen durch Geflüchtete“, in dem sich offenbar eine intensive emotionale Lage so sehr reflektiert, dass es unmittelbar packend für eine große Masse ist,
und das zugleich selbst schon ein projektives Phänomen ist;
d) die massenpsychologische Dynamik, in der sich viele gleichzeitig angezogen fühlen und dann als Masse und darum ihrer selbst sicher und enthemmt agieren können.

Antideutsche und Faschismus

Es kursiert gerade das Zitat des Bahamas-Autors Thomas Maul, dass „die AFD objektiv als EINZIGE Stimme der Restvernunft im Deutschen Bundestag, zuweilen gar als parlamentarischer Arm materialistischer Ideologiekritik“ erscheint.

Das ist ein eindeutiger Übergang von ursprünglich linken antikapitalistischen Positionen zu rechten. Aber das ist beileibe nicht der erste Übergang aus dem wertkritisch-antideutschen Milieu zur Rechten. Siehe Broder und Elässer. Frank Böckelmann, früher Subversive Aktion, war nun Erstunterzeichner der „Erklärung 2018“. Rolf-Peter Sieferle, früher Autor über die Revolutionstheorie von Marx, hat „Finis Germaniae“ geschrieben.

Was ich sagen will: Wir müssen uns Gedanken machen über ein systematisch faschistisches Potential in einer bestimmten Rezeptionslinie von Marx und der Kritischen Theorie. Das ist nicht nur so ein Hahnenkampf unter Antifas, sondern die positionieren sich wirklich faschistisch. Aber der Punkt ist, dass sie immer noch links und progressiv erscheinen können und dieser Hinsicht attraktiv sind, wobei sie zugleich verrückterweise als die eigentlichen Reaktionären die Linken erscheinen.

Ich erinnere auch an die gut besuchten (rassistischen und sexistischen) Veranstaltungen der Bahamas von Thunder in Paradise in der Frankfurter Uni oder den Versuch, antimuslimischen Rassismus in der jungle world zu kritisieren, was dort mit drei rassistischen Artikeln beantwortet wurde.

Ich weiß aber nicht genau, wie man da agieren soll. In der jungle world steht natürlich nicht nur sowas, und viele aus dem antideutschen Milieu sind redliche Linke und Antifaschistischinnen.